Wundertüte Check-in (Ausgabe 1a)

Moin zusammen, 

Ich stelle derzeit fast täglich eine Check-in Frage auf LinkedIn. Letztens fragte ich dort (sinngemäß), welches Buch man schreiben würde, wenn man denn ein Buch schreiben würde. Und Heiko antwortete nicht ganz unernst gemeint, er würde ein Buch über Check-ins schreiben. Das war der Startschuss zu diesem Experiment. Und ganz im Sinne des MVP-Gedankens starten wir mit Blogbeiträgen auf unseren jeweiligen Plattformen um zu erfahren, ob diese Gedanken hilfreich sind und ihr mehr wollt.😉 

Immer wieder werden wir gefragt, “Wieso eigentlich der Check-in, wir haben doch eh so wenig Zeit im Termin?”, viele lassen Check-in und Check-out bei der Planung einer Agenda direkt weg. Vielleicht können sie noch nicht greifen, welche unterstützende Wirkung der richtige Check-in zur richtigen Zeit haben kann? Also schauen wir uns das näher an und ich starte mit einer meiner Lieblings-Fragen: 

„Was können wir tun, um richtig schön zu scheitern?“

Anwendungsfall

Zur Beantwortung dieser Frage erhalten die Teilnehmenden ca. 5 Minuten Zeit, um ihre Gedanken zu notieren. Ich lade sie gerne dazu ein, ihrer Phantasie wirklich freien Lauf zu lassen, was alle möglichen Varianten des Scheiterns angeht. Um Anregungen zu geben, erkläre ich u.a. auch ein paar schillernde und vielleicht abwegige Möglichkeiten, zu scheitern (wie zum Beispiel “Das Internet geht kaputt.”).


Dem Prinzip folgend “wer anfängt, fängt an” erläutern die Anwesenden reihum ihre Gedanken und machen diese parallel dazu direkt im Raum sichtbar. Dafür bekommt jeder max. 2 Minuten Zeit und gibt das Wort danach alphabetisch weiter. Antworten, die sich doppeln/ ähneln hänge ich schon zueinander, um Cluster zu bilden. 

Die Ergebnisse des Check-ins greife ich auf, um die Teilnehmenden in einen Austausch darüber einzuladen, was sie tun können und brauchen, um das Scheitern zu verhindern. So entstehen konkrete und auf das Thema bezogene “Faktoren des Gelingens” und können im weiteren Verlauf genutzt werden.

Analyse

In welchen Situationen kann ich das nutzen?
Der Check-in eignet sich gut zu Beginn eines Termins, bei dem etwas konkretes erarbeitet werden soll. Dabei ist es nicht entscheidend, ob es im Termin um ein Produkt, ein Projekt, ein Konzept oder eine Abteilungsstruktur gehen wird.
Darüber hinaus kann er – abwechselnd mit anderen Check-ins – zu Beginn von regelmäßigen oder sich wiederholenden Meetings wirken. Ich setze ihn sehr gern ein als Start bei mehrtägigen Kick-offs, bei denen die Antworten im weiteren Verlauf unterschiedlich genutzt werden können.
Neben dem geschäftlichen kann man diese Frage auch im privaten Umfeld stellen.

Wie wirkt es? 
Die Superkraft dieses Check-ins ist: sichtbar machen. Wenn etwas konkretes entwickelt/ erarbeitet werden soll, tragen Menschen Zweifel, Bedenken und Risiken mit sich herum. Das ist normal. Dinge die sichtbar sind, verlieren an Schrecken und Gewicht, weil sie besprochen und bearbeitet werden können. Dafür schafft dieser Check-in die Voraussetzung.

Durch das Sichtbar machen können auch  generelle Barrieren bei den Beteiligten abgebaut werden, denn viele setzen sich sonst nicht sehr oft mit dem Thema “Scheitern” auseinander und der Check-in bietet eine spielerische Möglichkeit, sich dem zu nähern.

Vor allem durch die Anregung der Phantasie und den später entstehenden Perspektivwechsel (vergleichbar mit der Kopfstandmethode als Kreativitätstechnik) können tolle Gelegenheiten für einen positiven Gestaltungsrahmen des Workshops entstehen. Und durch die Vorgabe und Möglichkeit, sehr frei zu denken/ zu phantasieren bezüglich der Varianten des Scheiterns bekommen oft Bereiche Aufmerksamkeit, die sonst nicht bedacht worden wären.

Wenn ich im Laufe des Termins das Gefühl habe, dass eine der Verhaltensweisen / Themen die im Check-in genannt wurden im Termin auftreten, kann ich als Facilitator:in diese ansprechen, auf den Check-in verweisen und die Gruppe bei der Entscheidung unterstützen, wie sie damit umgehen wollen.

Funktioniert der Check-in online und offline? 
Klar. Dieser Check-in ist sowohl online als auch offline leicht einsetzbar. Es braucht nur die Frage und einen Platz, an dem die Antworten sichtbar gemacht werden können. Das kann ein Rahmen auf einem Whiteboard sein oder einen Ort Eurer Wahl im physischen Raum (Flipchart, Wand, Boden o.ä.)

Mit wie vielen kann ich den Check-in machen? 
Der Check-in funktioniert in kleinen wie in großen Gruppen gut. Selbst zwei Menschen können sich die Frage zu Beginn eines Treffens stellen. Bei Gruppen ab 10 Teilnehmenden empfiehlt sich ggfs. ein anderer Ablauf bei der Vorstellung der Antworten beispielsweise über einen Gallery Walk.

Ich habe nur wenig Zeit, was mach ich? 
Oft ist die Zeit, um etwas zu erarbeiten so begrenzt, dass viele einen Check-in überspringen. Diese Frage eignet sich jedoch gut, da direkt mit den Ergebnissen weitergearbeitet werden kann.
Bei weniger Zeit gebe ich entsprechend weniger Zeit für das Aufschreiben der Gedanken (max 2 min.) und begrenze die Anzahl der Antworten indem ich etwas vorgebe wie “Schreibt so viel wie ihr wollt, entscheidet euch für das wichtigste, ihr dürft nur 1 Antwort aufhängen.”

So fokussieren sich die Menschen auf das für sie wichtigste Element des Scheiterns. Um weitere Zeit zu sparen kann ich die Anwesenden bitten, ihre Antworten direkt sichtbar zu machen und gebe etwas Zeit für einen Gallery Walk. Die Teilnehmenden schauen sich die Antworten der anderen an und ich als Facilitator fasse Dinge zusammen, hebe Unterschiede hervor und leite über zum weiteren Bearbeiten. 

Wenn Du noch weniger Zeit hast, kannst Du das aufschreiben sparen und nur eine mündliche Fragerunde machen, doch irgendwann verliert der Check-in dann eben seine Superkraft des “sichtbar” machen. Dann nimm lieber einen anderen Check-in und mach eine eigene Session im Termin zum Thema Scheitern.

Ich möchte uns richtig Zeit geben. Was muss ich beachten?
Wenn richtig schön Zeit ist, gebe ich den Teilnehmenden mehr Zeit zum überlegen (mindestens 5 min.) und begrenze die Anzahl der Antworten nicht. Darüber hinaus kann jeder seine Antwort näher erläutern und vielleicht eine kleine Geschichte dazu erzählen. Dopplungen stören nicht und es kann im Gespräch schon übergeleitet werden zur weiteren Bearbeitung. Vielleicht kann noch Teil des Check-ins sein, die genannten und gruppierten Themen zu priorisieren. Die Zeit in der konkrete Maßnahmen erarbeitet werden, rechne ich in meiner Planung nicht mehr zum direkten Check-in, sondern ist eine eigenständige Session.

Was muss ich vorbereiten?
Offline: Metaplanwand / Flipchart, Post-it´s, Stifte
Online: Gestalteter Frame + Visualisierung
Kleiner Tipp: mach Dir vorab Gedanken, mit welchen Geschichten Du ggfs. die Phantasie der Teilnehmenden anregen kannst. Manchmal brauchen Menschen da eine kleine Hilfestellung und Eure Geschichten können das bieten, da kann es hilfreich sein, Kategorien des Scheiterns (technisch, organisatorisch, finanziell, kulturell…) parat zu haben und mit Beispielen zu füllen.

Variationen

Mit leichten Veränderungen der Fragestellung oder des Ablaufes kannst Du verschiedene Schwerpunkte im Check-in legen und damit auch die Antworten leicht steuern. Schauen wir uns ein paar der Variationen an:

“Was kann ICH tun, damit wir scheitern?” betont den persönlichen Bezug und damit auch die Eigenverantwortung jedes Teilnehmenden. 
“Was können wir HEUTE tun, damit wir scheitern?” lenkt den Fokus auf den aktuellen Termin und nicht das Thema.
Mit “Was können wir heute tun, damit wir ZUM THEMA X auf jeden Fall scheitern?” legt ihr den Fokus auf das Thema des Termins.
Und natürlich kann man es auch in der Rückschau verwenden bei einer Retro mit der Frage “Wie hätten wir uns anders / besser auf ein Scheitern vorbereiten können?”

Wie schon angedeutet, kann die Frage aber auch als Vorbereitung zu einer Übung im Laufe des Termins genutzt werden. Darin gruppieren und priorisieren die Anwesenden (falls noch nicht geschehen) die Antworten und entscheiden so, mit welchen Risiken sie sich zuerst beschäftigen wollen. Die anschließende Entwicklung von konkreten Maßnahmen, um ein Scheitern zu verhindern kann dann je nach Anzahl Gruppengröße in Kleingruppen / Breakout Rooms erfolgen. Das schafft eine schöne gemeinsame Basis oder zeigt auf, was ggfs. noch gebraucht wird ist, um gut arbeiten zu können.

Auf welche Risiken und Nebenwirkungen sollte ich achten?

Wenn es Gründe dafür gibt, dass aktuell eher nicht offen über ein mögliches Scheitern gesprochen wird, dann bedarf es ggfs. mehr Inspiration und Moderation seitens Eurer Rolle. Mach Dir bewusst, dass nicht jede:r geübt ist, sich mit dem Thema offen auseinander zu setzen und ggfs. Ängste der Menschen im Raum angesprochen werden, die bewusst oder unbewusst wirken können. 


Bedenke ebenfalls, dass das Thema “Scheitern” schnell rational mit dem Thema “Risikomanagement” in Verbindung gebracht wird und die Teilnehmenden schnell “abhauen” in die Argumentation, dass sie ja gegen Grund x gar nichts tun können. Um so schöner als Möglichkeit zu hinterfragen, was oder wen es denn dafür bräuchte. 
Bei aller Achtsamkeit, die diese Frage braucht: Trau Dich ruhig an sie heran, das kann wirklich tolle Diskussionen und Einblicke geben. Auch für Dich als vielleicht externem Berater:in.

CO-CREATION

“Dieses war der erste…” Check-in. Doch der nächste folgt im neuen Jahr 😉 Bis dahin freue ich mich über Dein Feedback und die Anregungen. Würden Dir andere Punkte in einer Analyse fehlen? Brauchst Du noch Tipps? Dann melde Dich gern.

Apropos: Heiko und ich haben zwar selbst viele Check-ins im Repertoire aber wir sind sehr neugierig auf Eure Favoriten! Also schreib uns doch, welchen Check-in Du am liebsten nutzt. Ganz im Sinne des “Scheiterns” auch gerne die, aus denen Du besonders gut gelernt hast 😉 . Schick mir gerne einfach einen Anwendungsfall des Check-ins Deiner Wahl (idealerweise in weniger als 1.500 Zeichen)an meine Emailadresse oder bei LinkedIn. Vielleicht nehmen ihn dann in in einem unserer nächsten Artikel unter die Lupe – natürlich nennen und verlinken wir Dich dann als Quelle. 

Wir freuen uns auf Euer Feedback und Eure Check-ins.
Und damit: Check-out! 

Liebe Grüße, Anja

PS: Falls Du Dich fragst, wieso im Titel „Ausgabe 1a“ steht und ob es auch eine „Ausgabe 1b“ gibt: Ja, denn zeitgleich zu diesem Beitrag „1b“ veröffentlicht Heiko den Beitrag „1b“ auf seinem Blog. Seine Frage zum Check-in lautet: „Welche:n (Super-) Held:in hättest Du heute gerne an Deiner Seite gehabt? Und wofür?“

PPS: Und „a“ steht übrigens für Anja und „b“ für Bartlog 🙂