Virtuelle Whiteboards im Praxiseinsatz

Nach über einem Jahr Homeoffice ist das Arbeiten mit digitalen Tools aus dem Berufsalltag nicht mehr wegzudenken. Die Herausforderung, remote eine kreative und kollaborative Zusammenarbeit zu ermöglichen hat dazu geführt, dass kaum ein Unternehmen um Videokonferenz-Tools herumkommt, um in einer Gruppe simultan an Themen zu arbeiten. Digitale Workshops sind jedoch mehr als miteinander „skypen“. 

Themen müssen gemeinsam erarbeitet, Perspektiven gesammelt, Ideen und Sichtweisen ausgetauscht und gemeinsame Ergebnisse dokumentiert werden. Wer das schon mal anhand einer reinen Videokonferenz versucht hat, wird wahrscheinlich schnell festgestellt haben, dass die Qualität der Resultate gegenüber analogen Workshops zurückfällt. Um dies zu vermeiden, hat sich neben dem obligatorischen Video-Konferenz-Tool besonders ein digitales Hilfsmittel zum unerlässlichen Allzweckmesser unserer Arbeit entwickelt: Das virtuelle Whiteboard

Die Auswahl ist groß. Festzuhalten bleibt jedoch: Keine Software allein kann die Schwierigkeiten auffangen, die sich aus der physischen Distanz ergeben: schnell schwindende Konzentration und Motivation, ausbleibendes Wir-Gefühl, aber auch das Fehlen von Regeln, die Nichtwahrnehmbarkeit von Körpersprache oder das Zukurzkommen von direktem persönlichem Austausch. Wichtige Faktoren, durch den Vertrauen und neue Ideen entstehen können. Nicht alle diese Probleme lassen sich komplett lösen, aber es gibt Methoden, mit denen Remote-Workshops besser gelingen. Letztlich steht und fällt die Qualität mit der Vorbereitung und Gestaltung des Termins. Nach ein paar Experimenten u.a. mit Mural und Concept Board haben wir Miro zu unserem Favoriten gekürt, da hier grundsätzlich alle zur Moderation relevanten Hilfsmittel enthalten sind, ohne weitere Software zu benötigen. Wir haben mittlerweile einige Erfahrung in der Arbeit mit virtuellen Whiteboards gesammelt und wollen euch ein paar Tipps weitergeben:

Arbeitsfähigkeit der Teilnehmer sicherstellen: 

Bei der ersten Nutzung sollten die Teilnehmer mit dem Umgang vertraut gemacht werden. Grundsätzlich braucht es dafür keine aufwändige Schulung: Auf dem Board navigieren zu können und die Möglichkeit zu nutzen Notizzettel anzuheften decken bereits 90% der Use-Cases ab. Um nicht immer wieder herein und heraus zoomen zu müssen sollten die Arbeitsbereiche auf dem Board ungefähr gleich groß sein. Entscheidet euch im Vorfeld für die Größe der Post-Its und legt sie vorab als Stapel für die Teilnehmer an, von dem sie ziehen können. Wir nutzen unter anderem den Check-In, um sich spielerisch mit den grundlegenden Funktionen vertraut zu machen. Dabei werden Post-It‘s mit dem Namen in einen virtuellen Stuhlkreis gehängt. Hier lassen sich auch gleich zu Beginn Hinweise transparent machen wie „wer muss wann weg?“ 

Dauer und Umfang des Workshops und der Sessions: 

Digitales Arbeiten ist anstrengend und die Konzentration schwindet schnell, wenn man vor einem Bildschirm sitzt. Dies hat zwei Auswirkung auf die Gestaltung: Die Dauer des Termins und das Einstreuen von ausreichend Pausen. Unsere ersten Remote Workshops haben wir in analoger Manier teilweise auf sechs Stunden geplant. Unsere Erfahrung: Don’t do it! Mittlerweile planen wir maximal vier Stunden am Stück – in der Regel eher drei. Bei größeren Themen teilt sich damit ein Termin auf zwei aufeinanderfolgende Vor- oder Nachmittage. Außerdem hat sich bewährt, einzelne Sessions maximal auf 90 Minuten zu beschränken und dann eine 10 minütige Pause einzulegen. Das bedeutet, dass in 4 Stunden maximal 2-3 größere Sessions zur Bearbeitung möglich sind. Nutzt einen für alle transparenten Timer, um die geplante Zeit zur Bearbeitung eines Themas zu begrenzen. Bei Miro ist ein solcher bereits im Tool integriert, so dass man sich zusätzliche Software sparen kann. Die Erfahrung hat außerdem gezeigt, dass remote mehr Zeit zur Bearbeitung von Themen notwendig ist. Als Daumenregel haben wir gelernt, gerade bei unerfahrenen Remote-Workshop Teilnehmern das 1,5-fache der Zeit einzuplanen, die wir sonst für Vor-Ort-Workshops angedacht hätten. 

Einfacher Aufbau und Struktur des Boards: 

Man sollte nicht studiert haben müssen, um sich auf dem Board zurecht zu finden. Je einfacher der Aufbau, desto besser: Die Arbeitsschritte oder Sessions des Termins bereiten wir meist als einzelne Rahmen von links nach rechts vor, so dass für jeden nachvollziehbar ist, was wo bearbeitet wird. Die Anordnung kann natürlich auch vertikal erfolgen. Wichtig ist, dass genügend Abstand zwischen den Rahmen liegt, um nicht den Fokus zu verlieren.

Planung des Ablaufs: 

In der Vorbereitung machen wir meist den konkreten Ablauf für die Bearbeitung einzelner Sessions als Regieanweisung transparent. Wir nutzen dazu Post-Ist, die am Rand der entsprechenden Session hängen. Dies hilft dabei den Überblick zu behalten, wie viel Zeit den Teilnehmern zum Sammeln und zur Diskussion geplant wurde, damit der Termin nicht aus dem Ruder läuft. Irgendwann haben wir uns dazu entschieden, unsere Regieanweisungen auf dem Board für die Teilnehmer stehen zu lassen, so dass jeder Teilnehmer nachvollziehen kann wie die Session ablaufen sollte. Das hat das ein- oder andere Mal dabei geholfen, die Teilnehmer dazu zu animieren den Fokus einzufordern und Randdiskussionen in Grenzen zu halten.

Viele Ideen in kurzer Zeit zu generieren – Still-und Kleingruppenarbeit: 

Der große Vorteil von Whiteboards ist, dass Teilnehmer ihre Ideen gleichzeitig transparent machen können, ohne dass es zu einem chaotischen sich-ins-Wort-fallen kommt. Außerdem tendieren gerade remote einige Teilnehmer in großen Gruppen dazu, sich mit Wortmeldungen zurückzuhalten Um möglichst viel Input zu generieren hat es sich bewährt, die Teilnehmer in kurzen Sequenzen in Stillarbeit ihre Ideen auf Post-It‘s sammeln zu lassen. Hierbei reichen meist 3-5 Minuten um viele Ideen zu sammeln, bevor sie anschließend im Plenum vorgestellt werden. Bei größeren Gruppen bietet sich die Methode 1-2-4-all aus dem Liberating Structures Methodenkasten an. Nachdem jeder Teilnehmer zunächst für sich Ideen sammelt, werden diese paarweise zusammengeführt und anschließend mit einem weiteren Pärchen geteilt, bevor die so gemeinsam entstanden Ideen der gesamten Gruppe vorgestellt werden. Das hilft außerdem dabei Doppelungen zu vermeiden. Wichtig ist, dass die Arbeit in den Kleingruppen durch das Videokonferenz-Tool unterstützt wird. Zoom und MS-Teams bieten dazu die Möglichkeit von Breakout-Sessions. Denkt dabei jedoch daran, euch vorher zu überlegen, ob ihr die Gruppen zufällig oder anhand ihrer Rolle oder Abteilungen aufteilen wollt. Wenn die Teilnehmer ihre Rolle oder Abteilung bei der Anmeldung im Whiteboard mit in ihren Namen eintragen fällt das erheblich leichter. Wir machen ganz gerne eine kurze Pause vor einer Kleingruppen-Session, um die Vorbereitung machen zu können.  

Clustern und Auswahl von Ideen: 

Die meisten Workshop sollten konkrete Ideen oder Ansätze generieren, die ein Thema oder ein Problem handlungsleitend voranbringen sollen. Viele Ideen zu haben ist toll, aber hilft nicht aber oft nicht dabei, konkrete nächste Schritte einzuleiten. Nachdem die Teilnehmer zunächst Ideen gesammelt haben ist es wichtig, anschließend die Relevanten herauszufiltern und sich als Gruppe auf die max. 1-3 Wichtigsten für die Weiterbearbeitung zu fokussieren. Daher ist es nach jeder Sammlung und Vergemeinschaftung wichtig, doppelt vorhandene Ideen zu eliminieren und gleichartige Ideen zu clustern. Miro bietet hierzu beispielsweise die Möglichkeit Post-It’s über „Tags“ zu kennzeichnen, um sie anschließend automatisch visuell zu Clustern zusammenzufassen. So lassen sich schnell Doppelungen identifizieren. Um anschließend für die Weiterarbeit eine Auswahl der wichtigsten Themen zu treffen, mit denen die Gruppe weitermachen will bietet Miro die Möglichkeit eines integrierten Votings, mit dem schnell und einfach eine Auswahl getroffen werden kann.

Kommentare nutzen, um asynchrones Arbeiten zu ermöglichen: 

Ein einmal geschaffenes Ergebnis eines Workshops ist immer auch eine Momentaufnahme des aktuellen Stands des Irrtums der Teilnehmenden. Erkenntnisse, Informationen und Perspektiven, die ggf. zum Zeitpunkt des Termins nicht integriert werden konnten wurden in der Vergangenheit häufig nicht genutzt. “Wärst Du mal dabei gewesen…”. Nicht dass in einem Workshop nicht auch finale Ergebnisse geschaffen werden können, aber wie oft ist ein Teilnehmer oder ein Unbeteiligter beim Betrachten der Ergebnisse im Nachgang auf neue Ideen gekommen, die sich lohnen integriert zu werden. Wie viele Whiteboards bietet auch Miro die Möglichkeit mit Hilfe einer Kommentarfunktion Anmerkungen zu hinterlassen, die es zulassen, dass Rückfragen oder Ergänzungen auch im Nachgang geklärt werden können, ohne das in der Gruppe geschaffene Ergebnis zu verändern. 

Fazit: 

Die Arbeit mit virtuellen Whiteboards hat nicht zuletzt aus Moderatorenperspektive eine Menge Vorteile. Dadurch, dass das Ergebnis problemlos gespeichert und adhoc geteilt werden kann, spart sich viel Zeit bei der Nachbereitung und Dokumentation.  

Während auf analogen Magnet- und Pinwänden Notizen mit der Aufschrift „Nicht entfernen“ oder „Arbeitssand“ dafür sorgen sollen, beim nächsten Treffen weiterzuarbeiten fand das in meiner Erinnerung recht selten statt. Das Leben einer tatsächlichen Pinnwand bestand nach dem Workshop meistens daraus, dass nach gewisser Zeit die Post-It‘s anfingen herunterzufallen oder immer mehr Pins verschwanden. Um so begeisterter sind wir, wie auf dem virtuellen Board im Nachgang an einen Termin über Kommentare noch offene Fragen gestellt, Hinweise gegeben oder ggf. Themen richtiggestellt werden können. Jeder Erkenntnisstand kann als Kopie abgespeichert und darauf aufbauend weitergemacht werden. Entsprechende Änderungen werden gekennzeichnet und sind so für nicht-beteiligte sichtbar.
Wenn die Arbeit mit virtuellen Whiteboards konsequent gefördert und gefordert wird, können sie sich zu tatsächlichen Arbeitsplätzen entwickeln, an denen jederzeit Mitarbeiter für kurze Absprachen zusammenkommen um ein gemeinsames Bild zu bekommen und weiterzuentwickeln. Praktischerweise haben Tools wie Miro auch integrierte Videochats, mit denen spontan eine Besprechungen kleiner Gruppe direkt auf dem entsprechendem Themenboard stattfinden kann.

Alles in allem liefern virtuelle Whiteboards viele nützliche Funktionen, die euch helfen, Online mit einer Gruppe gemeinsam Themen zu bearbeiten. Letztlich steht und fällt der Erfolg von Remote-Gruppenarbeit mit der Vorbereitung des Prozesses und dem Knowhow des Moderators im Umgang mit dem Tool. Das das tatsächlich auch mit vielen Menschen gut funktionieren kann, haben wir nun schon oft genug erlebt. Nicht zuletzt wegen der Möglichkeiten von virtuellen Whiteboards.